Im Folgenden versammeln sich eine Reihe von Zitaten aus 35 Interviews, die während der Konzeptionsphase geführt wurden.

Ziel des Interviewprozesses war es, herauszufinden, worum es im Feld der Tanzvermittlung geht und welche Potenziale und Problematiken angegangen werden können und müssen.

Die Zitate werden hier in anonymisierter Form wiedergegeben. Ihre ursprüngliche Sprache und ihr Stil werden beibehalten, mit den unterschiedlichen Nuancen und persönlichen Tönen und Akzenten der einzelnen Interviewpartner*innen.

Die Zitate wurden während der Evaluationsphase in Form eines gemeinsamen transversalen Leseprozesses zwischen der Steuerungsgruppe und Elisa Ricci (die das Interview entwickelt hat) extrapoliert. Jedes Mitglied des Evaluierungsteams wählte 5-6 der Interviews aus und las die jeweils ausgewählten Interviews mit der Aufgabe, Zitate, Sätze und Gedanken zu extrapolieren, die sie*er für relevant und bewegend hielt und die in mehr als einem Interview wiederkehrten.

Die am häufigsten wiederkehrenden Themen wurden diskutiert und übernommen, um den Fokus für die weitere Entwicklung der Konzeptionsphase zu setzen.

Im Folgenden finden sich einige der Fragen des Interviews in fettgedruckt, es folgen jeweils Zitate aus verschiedenen Interviews, in denen wiederkehrende Themen deutlich werden. Die Interviews wurden in schriftlicher Form beantwortet. Einige Fragen konnten mit Zeichnungen oder ähnlichem beantwortet werden. Für die barrierefreie Beantwortung des Interviews wurden Hilfestellungen gegeben.

 

Wie erleben Sie das Feld der Tanzvermittlung gegenwärtig? 

How do you experience the field of dance education and transmission (Tanzvermittlung) at present?

  • I experience participative dance in Berlin (and nationally) as a rather disconnected and fragmented field.
  • Wo können sich Tanzvermittler*innen mit Behinderung ausbilden lassen?
  • Das Feld der Tanzvermittlung erlebe ich als vielfältig: von „klassischen“ Publikumsgesprächen über physical introductions zu Produktionen bis hin zu aktiven künstlerischen Tanzprojektangeboten für Nicht-Profis oder einer Kombi aus Profis und Nicht-Profis (in Schulen, als Community-Projekten an Theatern etc.). Wenig Diskussion über Begrifflichkeiten führt zu fehlender Reflektion.
  • Ein allgemeiner Überblick fehlt, teils bedingt durch unterschiedliche Interessen, Gründen die im Weiteren mit Wertschätzung zu tun haben. Fazit: ein gemeinsamer Konsens besteht auf Grund von Verteilungskampf und Abringen der Fördergelder nicht wirklich, bzw. verschärft sich, weil kleine Institutionen weniger Geld bekommen.
  • Mir kommt es oft so vor, als wenn unterschiedliche Tanzstile in ihren eigenen Szenen/ Communities und gesellschaftlichen Milieus verhaftet bleiben. Den sog. Zeitgenössischen Tanz z.B. finde ich sehr in der weißen Mittelschicht wieder. Auch wenn momentan ein Aufbruch stattfindet und z.B. die intersektionale feministische Perspektive oft in der Kuration wieder zu finden ist (…), ist die Bühne dann doch für viele Personen in der Gesellschaft weit weg. Diese unübersichtliche Situation hat aber ja nicht nur Nachteile. Es bietet auch eine heterogene Tanzszene und die Möglichkeit sich kleine oder größere Nischen zu suchen.
  • Ich habe in meinen Ausbildungen eine hierarchische Unterteilung gespürt zwischen „künstlerischem Schaffen“ und/oder pädagogischen Tanz- /Theaterprojekten (z.B. für Jugendliche in Schulen).
  • In meiner Erfahrung sind viele Tanzschaffende/Tanzvermittler*innen sehr mit der eigenen Arbeit beschäftigt. Verständlicherweise, denn es ist eben in dieser Situation auch nicht einfach, sich einen „Student body“ aufzubauen. Es kann schnell ein Gefühl der Konkurrenz entstehen.
  • Viele hörende Tänzer sind im Tanz aktiv, aber es besteht ein normatives Einverständnis darüber, dass Tanz so viel mit Musik zu tun hat. Deswegen ist die Kultur der Tauben so weit weg von Tanz. (…) Es gibt zu wenig Angebote speziell für Taube. Vor allem im professionellen Bereich.

 

Wo sehen Sie Blockaden, Schwierigkeiten und Hindernisse innerhalb der Zyklen der Tanzvermittlung?

Where do you see blockages, difficulties and obstacles within the cycles of dance education and transmission?

  • Es gibt „Vermittlungsangebote“ sicherlich zu unregelmäßig. Es sind selten durchlaufende Angebote, sondern häufig punktuell.
  • Ich empfinde, dass die Tanzvermittlung gegenwärtig wenig sichtbar ist. (…) Das liegt auch daran, dass ich das Gefühl habe, der öffentliche Raum ist nicht der Ort des Tanzes und der Tanzvermittlung. Und auch gerade in Abgrenzung zu südeuropäischen Ländern, in denen ich schon oft war – was auch immer eine Frage des Klimas ist, was man ja hier auch nicht ausblenden darf. Das führt dazu, dass Tanz wenig sichtbar ist und stattdessen in geschlossenen Räumen stattfindet, in die man gehen muss und nicht zufällig reinstolpert.
  • The blockages are essentially due to a segregation of dance forms into different categories. These in turn lead to obstacles (in the mind) in opening up proper discourse.
  • Lack of pathways of understanding and education between subculture, contemporary dance scene and “high culture”.
  • There is a deficit of training for dancers in the field of participative/participatory dance.
  • The gap between academic dance institutions and the value of self-taught dancers on a high level is much too big.
  • Berlin is a bubble. Art is made for artists and less for general people, this leads to a perception of stereotypes and doesn’t allow openness and cross sectional interests.
  • Keine Nachhaltigkeit, kein eingebunden sein in längere Prozesse.
  • Der eigene Körper als nicht leistungsfähig genug, nicht biegsam, nicht schön, nicht tänzerisch genug; die eigenen Ideen und Impulse als nicht interessant oder innovativ oder technisch versiert genug.
  • Dürfen Tänze da sein, die oft als nicht künstlerisch wahrgenommen werden? Der Kreistanz, der gerne im Familienkreis getanzt wird, die Choreo, die die Grundschüler*innen im Netz gefunden haben, der indische Kampftanz, der mit Kolleg*innen nach der Arbeit geprobt wird?
  • Wenige Theater/Spielstätten haben eine Vermittlungsabteilung, die sich regelmäßig mit Tanz beschäftigt. Der Vermittlungsbereich für Erwachsene ist kaum etabliert.
  • Leitungspositionen sind zudem von nichtbehinderten Personen besetzt, auch in inklusiven Formaten von Tanzvermittlung.
  • Für mich fehlt das wirkliche Anliegen und auch Interesse Kinder und Jugendkultur, bzw. Tanzvermittlung mit Erwachsenen in der Hochkultur eine wirkliche Anerkennung zu zeigen.
  • Eine flächendeckende und längerfristige Verankerung von qualitätsvollen Vermittlungsangeboten im Bildungswesen ist nicht gegeben. Empirische Studien über die Wirkung von Tanzvermittlung besagen dass universitäre Studiengänge mit dem Berufsprofil Tanzvermittlung in der Gesellschaft fehlen.
  • Bei den Förderinstrumenten sind zwar neue Fonds für Vermittlung entstanden, dennoch fließen die Mittel nach wie vor vor allem bei den größeren Kulturinstitutionen.
  • I believe some main blockages exist in the circles the elderly as they are not identified as potential beneficiaries from the dance education and outreach services. I specify here more the older women from migrant background, and even more specifically those older women from Arabic origin, and more specifically who are veiled, and not recognised as dancing bodies. With this blockage, I also see an obstacle for Arabic cultural dances, specifically in (…) field of belly dance/Baladi Dance/ Raqs Sharqi, which is historically exoticised, commercialised and objectified, and with it all expressions of female sexuality and ownership of identity and body, while this form of dance can really be very empowering and speaking to the individual and collective identities of women from a feminist perspective.
  • In einer Umgebung, die nicht westeuropäisch geprägte Verständnisse haben, ist es herausfordernd für häufig westlich ausgebildete Tanzvermittler*innen, Begegnungsräume zu schaffen, wo die Menschen einerseits ermutigt werden, mit ihrem Körper etwas so auszudrücken, wie sie ihn erleben und anderseits dort abgeholt werden können, wo sie sind, um ihre eigene Körpersprache weiter zu entdecken. Das geht dann auch anders rum: Wie kann das Publikum in Deutschland kultiviert oder vorbereitet werden, andere Bewegungssprachen zu „verstehen“, ohne sie von vornherein mit ihren gewöhnten Blicken zu „beurteilen“?
  • Strukturelle und institutionelle Barrieren finden sich auch in der Tanzvermittlung auf universitärer Ebene. Hier wird aus meiner Sicht oft ein Bild von Tanz und Choreografie vermittelt, welches zu sehr auf interkultureller Ebene stattfindet und somit Künstler*innen ausbildet, die Kunst für ein bestimmtes Publikum machen. Hier sollte Tanzvermittlung diverser und publikumsorientierter gedacht werden.
  • Es werden immer noch zu wenig Menschen aus marginalisierten Communities in die Entwicklungsprozesse von Tanzvermittlung eingebunden, so dass Diskriminierung und Stereotype in der Arbeit reproduziert werden. Diese münden in zur Schau stellen von Leidensgeschichten immigrierter Menschen, von Menschen mit Fluchterfahrung. Ich finde es super wichtig, diese Erfahrungen zu erzählen, diesen Menschen eine Stimme zu geben, aber dies passiert auf einer wenig empowernden und wenig aktivistisch-künstlerischen Ebene.
  • Die Jugendtanzensembles sind leider oft mit privilegierten jungen Menschen besetzt. Soziökonomische Kriterien legen hier fest, wer die Chance hat, Teil dessen zu sein. Dabei geht es nicht darum, ausschließlich die Frage zu stellen wie wir es schaffen, Menschen in die Ensembles zu bringen, sondern vielmehr auch in die Ursachenforschung zu gehen.
  • Dolmetscher*innen (Gebärdensprache) können auch eine Barriere sein, weil immer die Frage ist, WER dolmetscht? Man braucht immer jemanden, der eine hohe Sprachkompetenz aufweist und am besten jemand, der auch im Kulturbereich gebildet ist. Es geht nicht mit jeder Person, die DGS kann, das reicht nicht.
  • Aus meiner Erfahrung liegt die Diskursmacht zum Thema Vernetzung am Ende bei denen, die sich aus ihrer Festanstellung heraus damit am beschäftigen können. Freiberufliche Künstler*innen oder Tänzer*innen sind da vielleicht für kurze Zeit mit am Start, können das aber nicht in gleichem Maße durchziehen. Daher sind es letztlich immer die selben Personen, die aufgrund ihrer Arbeitsstelle den längeren Atem haben, auch für so Prozess-Sachen.
  • Gleichwertige Vergütung gleicher Arbeit, besonders mit Freiberufler*innen und Ehrenamtlichen Arbeiter*innen.

 

Das Projekt eines Tanzvermittlungszentrums verspricht Wachstum und Veränderung für das Feld. Was ist für dieses Wachstum nötig? Wie kann die Veränderung aussehen?

The project of a “Tanzvermittlungszentrum” promises growth and change for the field. What is needed for this growth? How can the change look like?

  • The biggest change necessary is in the training of dancers – skilling up the next generation of dances for the challenge they face. This includes supporting them to widen their definition of art-making, to access work which functions in economies beyond subsidy, to experience body and choreography at the intersection on education/society/politics.
  • Kunst und Bildung müssen zusammen gedacht werden. Bildung von Kultur zu trennen ist eine der effektivsten Wege die es gibt, um Ungleichheit zu begünstigen. Der Kunstbetrieb müsste also z.B. vor allem auf die Qualität der künstlerische Vermittlung achten, also auf die Ausbildung der Kunstvermittler*innen, auf die Qualität und die Diversifizierung je nach Kontext von Inhalten, Methoden und Institutionen, statt darüber zu streiten ob künstlerische Vermittlung in der Gesellschaft Kunst sei oder nicht. Diese Prozesse finden schon statt, müssen aber auf einer größeren Skala durchgeführt und empirisch erforscht werden.
  • multiple languages in funding applications
    removing barriers to access for funding applications
    LONG TERM projects so each time the hard work of making partnerships is not always needing to be redone
    mentoring programmes
    working with institutions and organisations to anchor initiatives beyond individuals and in organisation structures
    platforms targeted to specific communities – developed in dialogue with those communities
    Collective working structures integrating multiple perspectives
    Listening
    responding with action
    facilitating others being able to take action
    Acting
    Changing ingrained ways of working
  • Change would hopefully function by breaking the barriers and hierarchies between forms and disciplines, as well between cultural dance, artistic dance, community dance and institutional dance, while uniting the efforts of dance mediators with educational/pedagogical workers, and social workers. It could look like a space of intersectional and interwoven change and growth, based on an understanding of the current reality of the needs of the society in all its diverse sectors and communities.
  • Ein Wachstum macht für mich nur Sinn, wenn es auch eine inklusive, gleichberechtigte und diskriminierungsfreie Praxis verspricht. Dafür braucht es einen Lernprozess der Szene, was diese Praxis überhaupt bedeutet. Vor allem sollen Akteur*innen, die sie längst praktizieren, in die Entscheidungspositionen kommen. Um Veränderungen bekommen zu können muss auch dafür Platz gemacht werden.
  • Partnerships which are based upon identifying the needs of all parties involved and an ongoing negotiation of these needs.
  • Entwicklungsprozesse auf institutioneller Ebene wie auch die direkte kulturelle Praxis sollten aus einer wissenschaftlicher Perspektive begleitet werden. Im Rahmen eines reflexiven Prozesses und im Sinne der Nachhaltigkeitsprüfung.
  • What is needed is a decolonised perspective towards dance, its definition and the related notions of normality, beauty and ability. It is necessary to do the effort of re-visiting and re-examining the history of dance in Germany and the related notion of “Tanzvermittlung”, to understand if it was inclusive, diverse and providing equal opportunity in expression and service.
  • Indem man Vermittler*innen einlädt die marginalisiert und ausgeschlossen sind, indem man Alternativen sucht zu den Praktiken die sehr präsent sind (Improvisation statt Ballett, Butoh statt Gaga, Gartenarbeit statt zeitgenössischer Tanz), indem man Formate gestaltet in denen man die
  • Chance hat, Marginalisierung körperlich zu erfahren, das regt die Empathie an, indem man mehrere Medien mischt um Wahrnehmungsverträglichkeit zu fördern, indem man Leitungsfunktionen und Kuratorische Positionen regelmäßig wechselt um neue Sichtweisen zu erlauben.
  • Sharing different perspectives of the definition of Dance.
  • Go to them, support their creation of their own dance and their own embodiments, and empower their expressions of identity and transformation. Stop framing dance as a western practise, and stop presenting “aesthetic” dance as a white practise while looking at the rest of the forms as inferior, or “not aesthetic/not artistic”, or “cultural” or “not professional” or “under-developed”. Stop racialising dance, stop stigmatising the dancing body. Dismantle categorisation and polarisation. Deconstruct the history of colonising the dancing body.
  • I believe collaborations and partnerships with social centres, family centres, youth centres, groups of mothers, churches, i.e. Flüchlingskirche, Berlin Mondiale and Wasserwerk program. This type of partnerships expands the possibilities of dance education and outreach, its potential for reaching out, and for touching marginalised groups and providing them with creative opportunities for self expression, participation and empowerment.
  • Wie können bestehende Kunst- und Kulturinstitutionen mit Grassroot-Organisationen arbeiten, so dass mehr marginalisierte Perspektiven mit einbezogen werden, ohne dass die einzelnen Akteur*innen sich noch zusätzlich zum Inhalt viel um die Struktur kümmern müssen?
  • Practice based research is of vital important. To give voice to all the experiences and opinions, even if they are labeled as “not knowledgeable”. To connect academic research with individual testimonies, and with practice-based research. To question who has the right to research and why, to question what research is, and according to which pedagogical discourse.

 

Wir laden Sie ein, eine Vision für das Tanzvermittlungszentrum zu formulieren.

We invite you to formulate a vision for the “Tanzvermittlungszentrum”.

  • Tanzvermittlung in Berlin braucht eine Gesamtstrategie um für und durch Tanz Interesse, Sichtbarkeit, Innovation und mehr kulturelle Gerechtigkeit zu schaffen. Dafür sind, je nach Handlungsfeld der Vermittlung, differenzierte Kompetenzen notwendig.
  • To reach with formats that work with schools, houses of the elderly and family centres. And to reach out with dance workshops and classes to employees who are always sitting behind their desks. People who dance have more immunity against sickness, dance provides more richness for the creative minds. Among the bureaucratic employees who would urgently need Tanzvermittlung  are those at the job centres, Finanzamt and Ausländerbehörde! They MUST dance!
  • Das Tanzvermittlungszentrum könnte z.B. ein Festival oder einen „Monat der Tanzvermittlung“ oder einen „Tag der Tanzvermittlung“ organisieren, in ganz Berlin in allen Stadtteilen, wo überall DRAUßEN in Parks auf den Straßen, überall wo es geht, Tanzworkshops in allen Stilen und Sprachen stattfinden…
  • The “field” of socially engaged dance – participative/participatory/community dance – will be needed to lead the way into what comes next for the whole of the dance scene.
  • Ein Ort , der den unterschiedlichen „Tanzkulturen“ Raum gibt und die Vielfalt in Berlin zeigt. Ein Ort der Vernetzung der Communities und der Tanzvermittler*innen bzw. der entsprechenden Organisationen. Ein Wissenspool, eine Fortbildungsstätte, ein Zentrum mit internationalen Kontakten, Laboren zum Ausprobieren und Verwerfen, zum Diskutieren und Veröffentlichen, eine Anlaufstelle für alle, die sich informieren wollen.
  • The house of many – Ein fluider unbürokratischer Raum, eine spontan lebendige administrative und performative Plattform  – Soziale Plastik (Beuys) des Austauschs, eine Wissensbank, die für alle interessierten Menschen zugänglich und erlebbar ist.
  • Die Teamaufstellung sollte das möglich machen – administrative Vorgänge, Beratungen etc. Ein steter Dialog durch Kommunikator*innen, Multiplikator*innen und Koordinator*innen die nicht nur überfordert und gestresst am Tresen stehen, das muss möglich sein und eine Menschlichkeit zulassen. Ich habe leider häufig solche Situationen in der Hochkultur erlebt, weiß aber aus eigener Erfahrung, dass bei entsprechender Teamaufstellung das auch anders zu lösen ist. Ich sehe bei so einem Zentrum zwei Hauptbereiche: 1. die performative offene Plattform (nicht über kuratiert), veranstaltet durch Player der Tanzvermittlungsszene (nach unserer Definition: Diversität, Inklusion, antidiskriminierend and so on). 2. den Ansatz/die Philosophie vertretend: entsprechende Multiplikator*innen/Player der unterschiedlichen interkulturellen Tanzszenen initiieren ein repräsentatives divers aufgestelltes Programm für das Publikum. Eine Art fluides Happening, Wissensbank mit Beratungs-/Konferenz-/Dialogräumen und Plattformen – Strukturen schaffen der alltäglichen Begegnung, organisierter Austausch von KnowHow, Beratung etc. Organisches Chaos darf sein, wo nicht alles durchgetaktet ist, denn die Situation vieler Gruppen und Teilnehmerstrukturen und ihrer Lebensrealitäten lässt dies gar nicht anders zu,  sprich es gibt die Dringlichkeit, spontan agieren zu können. Ein wertfreier Raum in dem sich unterschiedliche Player, unabhängig ihrer eigenen Interessen begegnen und sich dem Ziel verschreiben, Tanz und performativem Ausdruck allen zugänglich zu machen. Eine symbolische Vernetzungs-Lounge, Plattformen der Expertise werden konkurrenzfrei vermittelt. Ich würde behaupten, dass das Selbstverständnis des Tanzes als Etwas im Alltag Sichtbares wachsen muss. Dafür braucht es Anlässe und die Erschließung des öffentlichen Raums für den Tanz. Es braucht außerdem die praktische Nutzbarkeit jener Flächen – Überdachung, Stromanschlüsse.
  • I wish it would be a polyvalent space, bright and open, cozy, have the most precious and impossible to find documentation – like one-off booklets, exhibition catalogues, audiovisual inspirations –, that it would be perfect for testing out a format or sit down for a meeting. That it would be thought for bringing mind and body together.
  • I imagine it as a platform that is de-centralised, working in circular patterns, or spiral patterns, within each spiral there are meeting points that intersect with other rounds of spirals, which guarantees circulation, continuity and intersections and horizontal expansion.
  • Was wäre wenn diese Orte so stark in die gesellschaftlichen Räume hineingetragen werden, dass sie als eigenständige Orte nicht mehr erkennbar sind?
  • Ich würde gerne von Wirken sprechen. Im TVZ sehe ich das Potential in der Tanzszene eine diversitätsorientierte und diskriminierungskritische Perspektive als Grundhaltung zu etablieren und Akteur*innen der Szene dahingehend zu sensibilisieren und zu stärken. Das TVZ als ein Ort, der kulturpolitische Ziele für Tanz und dessen Vermittlung formuliert und ein diverses Netzwerk von unterschiedlichsten Akteur*innen bildet, das das Feld der Tanzvermittlung in einem kontinuierlichen Prozess über Austausch und Forschung weiterentwickelt. Ich erhoffe mir ein Wirken auf Aus- und Weiterbildungsebene, auf der Ebene der kulturellen Praxis (Ausschreibungen, Projektentwicklung, -durchführung, -verwaltung etc.) und auf politischer Ebene (mehr Ressourcen für Tanzvermittlung, also Geld und Räume). Desweiteren bedeutet dieses Wirken Veränderung einer gesamtgesellschaftlichen Haltung, in der Tanzvermittlung in ihrer künstlerisch-edukativen Arbeitsform als substantiell und unentbehrlich gilt und als Kunstform gleichwertig zu Tanz und Theater gesehen wird.
  • Mein Traum wäre es, wenn taube und hörende Künstler*innen auf Augenhöhe arbeiten und es nicht als besonders angesehen wird, dass taube Menschen auch tanzen können.
  • I think it is vital that the (de)centre is not attached to ONE house in terms of its content/initiatives. It can be located in an area that is not well served by dance opportunities. Participative processes which work with communities who are not yet engaged in the dance scene can initiate change in the scene which the scene itself would perhaps not initiate. An independent centre would be free to ask questions, spotlight topics, further discourses which might bring together different “bubbles” who are concerned with a similar topic or theme.

Am 26. Februar 2021 fand ein Online Labor zur Auswertung und Vertiefung der Interviews statt.

Die Fragen, die im Interview von den einzelnenen Akteur*innen geantwortet wurden, wurden Ausgangpunkt für eine kollektive Diskussion und Austausch.

 

Mitwirkende

Es kamen insgesamt 19 Teilnehmende aus unterschiedlichsten Kontexten der Kunst— und Tanzvermittlung (hier in alphabetischer Reihenfolge) zusammen: Medhat Aldaabal, An Boekman, Barbara Greiner, Eva-Maria Hörster, Martina Kessel, Athina Lange, Bahar Meric, Jo Parkes , Livia Patrizi, Rajyashree Ramesh, Ron Rosenberg, Sven Seeger, Robert Segner, Esmir Srdanovic, Diana Thielen, Axel Timm, Teo Vlad, Maren Witte, Marie Yan.

Viele der Teilnehmenden waren in mehreren Funktionen anwesend, u.a. als freischaffende Künstler*innen, Choreograf*innen und Pädagog*innen, Kurator*innen, Tanzwissenschaftler*innen, Schauspieler*innen und als Vertreter*innen von Institutionen (Marameo, Hochschulübergreifendes Zentrum Tanz, Mobile Dance, Raumlaborberlin, Zeitgenössischer Tanz Berlin e.V., Chance Tanz, Theater Fratz, Maxim Gorky Theater)

 

Co-Moderation: Nora Amin, Elena Basteri, Janne Gregor, Elisa Ricci und Gabriele Reuter.

Technische Moderation: Angela Alves

Übersetzung in Deutsche Gebärdensprache: Carola Otto und Rebecca Haupt

Sprache: Deutsch mit Englischer Übersetzung im Chat (durch Elisa Ricci)

 

Für das Labor hat Yorgos Konstantinou das untenstehende Grafisches Protokoll durchgeführt.

 

 

 

 

 

 

 

 

Dieser Text ist nur auf English verfügbar.

 

In November 2021, I was invited to participate in a lab as a concluding step in the conception phase for a future Tanzvermittlungszentrum in Berlin. I was asked to attend the lab, provide a critical response at the end of it, and to archive the content and experience of the lab in a text.1

My critical response and this text are informed by my role as member of the advisory board, the so-called ‘extended team’, which supported and advised the work of the steering group between 2021 and 2022, focusing on questions of accessibility, diversity, power-sharing and leadership models.

 

Time, access and solidarity are three keywords that neatly recap or synthesise what was discussed and highlighted during the lab. These three keywords also provide a concise reflection of the conception phase for a future Tanzvermittlungszentrum in Berlin, including its achievements and failures.

For this reason, I have taken these three keywords as guiding principles, in order to map out the ethics and working cultures of the future institution and the 2022 pilot phase Access Point Tanz. To do this, I interweave the three keywords with concepts borrowed from an article that has been central to my advisory work in the conception phase with the steering group.2 The article is called “White Supremacy Culture”, and is part of the body of work Dismantling Racism: A Workbook for Social Change Groups by Kenneth Jones and Tema Okun (2001)3. Jones and Okun describe a set of characteristics of what they call “white supremacy culture”. The most impressive aspect of this article, which is based on years of anti-racism work in the USA, is that it offers so called “antidotes” to the “characteristics” of white supremacy culture. These antidotes seek to deliver practical solutions that can be applied and become inscribed in the working cultures of cultural organizations and institutions, in order to liberate them from the toxic habits of a white supremacy culture.

The characteristics that the authors list as the foundations of white supremacy culture are: perfectionism, a sense of urgency, defensiveness, quantity over quality, worship of the written word, paternalism, either/or thinking, power hoarding, fear of open conflict, individualism, progress is bigger and more, objectivity, the right to comfort (Jones and Okun 2001).

I find that these characteristics outlined by the authors speak for themselves, and in fact, they really do not need further explanation. I would go so far as to assert that anyone who works for a cultural organisation or art institution would certainly recognise at least a few of these dynamics. Whether we’d like to admit it or not!

In the following, the characteristics and antidotes identified by Jones and Okun help to reveal the centrality of time, access and solidarity in creating healthy working cultures and for the quest to leave white supremacy behind.

 

Time

 

During the lab, the wish for a constructive, non-toxic culture of time management was expressed in various different ways: time for self-care, time to find out how team members want to work together, time for long-term strategies, time to reflect and deal with conflict openly, time for critical self-reflection processes, time for evaluation.

Interestingly, all these wishes about time also mirror the kind of time that was lacking during the conception phase, which took place under pressure because of bureaucratic structures of time management. Despite the time pressure generated by this culture of urgency, the steering group and the advisory board invested time and energy into establishing accessibility as a foundation for the future Tanzvermittlungszentrum, as well as healthy working cultures, and a critical culture of self-reflection. Paradoxically, this investment of time and energy, led to an unhealthy culture of overworking and burn-out for some people.

The authors of “White Supremacy Culture” bring up what they call a “sense of urgency” as a characteristic of white supremacist culture, and they help to explain how this works:

  • continued sense of urgency that makes it difficult to take time to be inclusive, encourage democratic and/or thoughtful decision-making, to think long-term, to consider consequences
  • frequently results in sacrificing potential allies for quick or highly visible results, for example sacrificing interests of communities of color in order to win victories for white people (seen as default or norm community)
  • reinforced by funding proposals which promise too much work for too little money and by funders who expect too much for too little (Jones & Okun 2001)

The antidotes to the spread of an invasive “sense of urgency” and its consequences provide a perspective that includes time and access. The proposed antidotes to sense of urgency are:

Realistic work plans; leadership which understands that things take longer than anyone expects; discuss and plan for what it means to set goals of inclusivity and diversity, particularly in terms of time; learn from past experience how long things take; write realistic funding proposals with realistic time frames; be clear about how you will make good decisions in an atmosphere of urgency (Jones & Okun 2001)

Time and access are clearly intertwined. A culture of time born out of a “sense of urgency” blocks processes of access, as Jones and Okun clearly describe. Therefore, the dismantling of this kind of time culture is a precondition to approaching processes of accessibility and to fostering critical diversity.

 

Access

 

Access was discussed by the groups at the lab as something that travels from inside to outside (outreach) and from outside to inside (in-reach), characterised by a movement which recalls a moebius strip. Processes of marginalisation were central to the discussion. Issues of internal and external access to the field were discussed, as well as formats of access for communication with funding institutions; and of providing funders and administrators in the field with access to discourses around accessibility.

Of course, cultures of access are complex, and a different time culture is not the only ingredient in providing accessible structures. The analysis of further categories laid out by Jones and Okun are therefore central to tackling this complexity. Lack of accessibility is related to phenomena such as “power hoarding”, “defensiveness” (above all of those in power), and “objectivity”. The first two characteristics speak for themselves, so I would like to take some time to introduce Jones and Okun’s notion of “objectivity”:

  • the belief that there is such a thing as being objective
  • the belief that emotions are inherently destructive, irrational, and should not play a role in decision-making or group process; invalidating people who show emotion
  • requiring people to think in a linear fashion and ignoring or invalidating those who think in other way
  • impatience with any thinking that does not appear logical to those with power (Jones & Okun 2001)

The definition of “objectivity” as a characteristic of white supremacy cultures offers two aspects which have a particular potential to transform the field of art institutions: on the one hand, the invitation to break taboos on emotions and emotional labour, and on the other hand, the invitation to welcome non-linear thinking.

If initiated in art institutions, both processes would make an immense contribution to the dissolution of (emotional) blockages concerning racist and patriarchal structures, and to transforming the sense of guilt among white people into a political and social sense of responsibility, which would in turn foster accessibility and diversity based on healthy emotional environments.

Dance, movement and the body are amazing instrument for navigating these processes, and it is in fact odd that industry professionals working in dance institutions very rarely seek to tap this potential for engaging in processes to transform working cultures, and combat structural racism and discrimination.

 

The antidotes that Jones and Okun offer to “objectivity” are:

Realize that everybody has a world view and that everybody’s world view affects the way they understand things; realize this means you too; push yourself to sit with discomfort when people are expressing themselves in ways which are not familiar to you; assume that everybody has a valid point, and your job is to understand what that point is. (Jones & Okun 2001)

Raising consciousness around distorted perceptions of objectivity has the potential not only to create healthy working cultures that are able to welcome mistakes and process conflict, but also to destabilise beliefs about artistic quality and the centrality of the canon.

 

Solidarity

 

Solidarity came up in the lab in terms of the (in)capacity to support each other and through an interrogation of existing forms of collaboration, as well as with respect to the fear of losing control and power. How do we cultivate a form of solidarity that is able to infiltrate and pervade deep into the tissue of cultural organisations and institutions and become structural, enabling it to take into consideration the interweaving of different forms of discrimination? In fact, an understanding of several of the characteristics outlined by Okun and Jones along with the antidotes they offer can help us to envision and construct a form of solidarity that can be called structural and intersectional. These characteristics are: “individualism”, “fear of open conflict”, “power hoarding”, and “defensiveness”.

I would like to foreground “power hoarding” here as a characteristic that must be tackled in order to install cultures of solidarity, with the antidotes to power hoarding offering a way out of toxic working cultures. Once again, I would assert that anyone working in art institutions is very familiar with the dynamics of power hoarding.

 

Okun and Jones define power hoarding as follows:

  • little, if any, value around sharing power
  • those with power feel threatened when anyone suggests changes in how things should be done in the organization, feel suggestions for change are a reflection on their leadership
  • those with power don’t see themselves as hoarding power or as feeling threatened
  • those with power assume they have the best interests of the organization at heart and assume those wanting change are ill-informed (stupid), emotional, inexperienced

Reading these points, it becomes clear how necessary it is to raise awareness among those in power if we are to build up cultures of solidarity. In order to achieve a structural and intersectional form of solidarity, art institutions and organisations need to radically rethink the hierarchical model of the “singular white curatorial sovereignty” (Liepsch, Warner and Pees 2018).

 

The antidotes offered by Okun and Jones are as follows:

include power sharing in your organization’s values statement; discuss what good leadership looks like and make sure people understand that a good leader develops the power and skills of others; understand that change is inevitable and challenges to your leadership can be healthy and productive; make sure the organization is focused on the mission (Jones & Okun 2001)

The task is in fact to slow down in order inhabit leadership differently, to rethink models of leadership and approach leadership as co-learning, as co-caring, as co-moving along non-linear paths. To abandon known forms of leadership is another path towards creating accessible and diverse environments in the arts, since a plural, diverse leadership will be slower and lead us beyond regimes of urgency and toward decision-making processes pervaded by diverse perspectives.

 

 

Notes

  1. The concept lab was conceived by the steering group as a concluding dialogical aspect of the concept phase for a future Tanzvermittlungszentrum in Berlin (2020–2021), before formulating the concept paper for the upcoming pilot phase under the name of Access Point Tanz. The lab participants were made up of stakeholders and experts in the field in Berlin. Some of them had previously taken part in the interview.
  2. A workshop on working cultures with the steering group and the advisory board (based in part on this text) took place in autumn of 2021.
  3. More information about Jones and Okun’s workbook, the original article (2001) and its developments, as well as for an updated version (2021) can be found here or here. The 2001 version, which I have quoted from here, can be found here.

Am 28.09.2021 gab es im Wasserwerk in Berlin-Kreuzberg einen ersten öffentlichen Moment der Steuerungsgruppe für ein Berliner Tanzvermittlungszentrum.

In Kooperation mit dem Wasserwerk und der Flüchtlingskirche gab das Team um die Steuerungsgruppe einen Einblick in ihre Arbeit. Die jüngsten Aktivitäten der Gruppe wurden vorgestellt, darunter das Projekt „Mobiler Tanzsaal“ und die daran beteiligten Künstler*innen, und es wurde über den aktuellen Arbeitsstand berichtet.

 

Nach einer Begrüßung von Nora Amin und Janne Gregor folgten kurze Inputs: Elena Basteri gab einen Überblick über die Bestandsaufnahme innerhalb der Konzeptionsphase, Elisa Ricci und Sven Seeger berichteten über das Projekt „Mobiler Tanzsaal“, Amelie Mallmann lieferte Inputs zum Bereich Tanzvermittlung für Kinder und Jugendliche und Laura Werres berichtete über den Bereich Tanzvermittlung im Rahmen des Netzwerks „Berlin Mondiale“.

 

Im Anschluss haben sich die Teilnehmenden in verschiedenen Arbeitsgruppen miteinander ausgetauscht und gemeinsam die Situation der Tanzvermittlung in Berlin in Bezug auf ein machtkritisches Verständnis von Diversität reflektiert. Dabei haben sie über Partizipative Tanzarbeit im Kontext von Urbaner Praxis und über interdisziplinäre Tanzpraxis in Außenbezirken diskutiert, und über die Themen Zentrum und Peripherie, sowie Tanzpraxis und Dekolonisation im Kontext von Festivals und künstlerischen Plattformen gesprochen.

 

Zum Abschluss wurde gemeinsam das Ende des Sommers mit Tanz und Musik gefeiert.

© Veronika Wagner

Konzept, Koordination und Moderation: Nora Amin

Co-Moderation: Janne Gregor
Inputs: Elena Basteri, Amelie Mallmann, Elisa Ricci, Sven Seeger, Laura Werres
Moderation Arbeitsgruppen: Nora Amin, Felix Dompreh, Martina Kessel, Gabriele Reuter

Technik: Dennis Dieter Kopp, Kanishka Sarkar
Graphic Recording: Daniel Freymüller
Video-Dokumentation: Hannes Schulze

Übersetzung: Waael Fares (AR), Lucia Rossi (EN, RUS), Undine Schäfer, Oya Ataman (DGS)

Campus Esche

Der Campus Esche ist ein Gelände inmitten von Berlin-Westend. Auf dem Areal, das heute zwei Geflüchtetenunterkünfte, zwei Kindertagesstätten und einen nachbarschaftlichen Kultur- und Begegnungsort beheimatet, befanden sich seit Ende des 19. Jahrhunderts die “Kuranstalten Westend für Nervenkranke”. Seit Sommer 2020 wird das Areal zu einem lebendigen Campus und einem Ort der Gemeinschaft und der Nachbarschaft transformiert, der alle lokalen Institutionen und die Menschen vor Ort einbezieht. Die Vision von Campus Esche ist ein Ort, an dem Menschen zusammenkommen und gemeinsam Gesellschaft gestalten. Ziel sind Begegnung, kreative Arbeit und persönliche Weiterentwicklung der Nutzenden, deren Talente und Ideen zu Initiativen weiterentwickelt werden.

Geplant und realisiert wird das Projekt Campus Esche von MORE THAN SHELTERS in Kooperation mit dem Integrationsbüro Charlottenburg-Wilmersdorf sowie mit den auf dem Areal aktiven Akteur*innen, lokalen Initiativen und unter Beteiligung mehrerer Senatsverwaltungen. Gefördert wird das Projekt vom Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf und der Robert Bosch Stiftung.

 

Quellen

Campus Esche

Pilotprojekt Campus Esche

Pilot-Stadtwerk mrzn

Das Pilot-Stadtwerk mrzn ist eine offene und experimentelle Baustelle, ein internationales Zukunftslabor, ein Möglichkeitsraum.

Mit Handwerker*innen, Architekt*innen, Künstler*innen und Gärtner*innen gestalten hier junge und ältere Menschen, neue und alteingesessene Nachbar*innen, Initiativen und Vereine gemeinsame Ideen für Freiflächen, neue Arbeitsperspektiven und gemeinschaftliche Stadtentwicklung. Ziel des Pilot-Stadtwerks Marzahn ist es, gemeinsam mit Menschen vor Ort etwas zu bauen und diesen Ort heute neu zu erschaffen. Es finden laufende Kursangebote in Form von Werkstattkursen statt. Gestalter*innen mit und ohne Flucht- und Migrationserfahrung aus verschiedenen zivilgesellschaftlichen Initiativen, Universitäten und der Nachbarschaft haben das Stadtwerk als ihren Ausgangspunkt genommen, um über Stadtgestaltung, Utopien, Klimawandel, Architektur und neue Begriffe für eine offene und heterogene Gemeinschaft zu diskutieren.

Das Pilot-Stadtwerk Marzahn wird geplant und realisiert von der S27 – Kunst und Bildung, in Kooperation mit Berlin Mondiale. Das Projekt wird gefördert vom Europäischen Sozialfonds Deutschland und der Lotto Stiftung Berlin.

 

Quellen

Gespräch mit Vera Fritzsche am 21.02.2022

Stadtwerk mrzn

station urbaner kulturen / ngbk Hellersdorf

Die station urbaner kulturen ist ein dezentraler Standort der neuen Gesellschaft für bildende Kunst (nGbK) in der Großwohnsiedlung Berlin-Hellersdorf. Mit einem Programm aus diskursiven Veranstaltungen, Ausstellungen und Interventionen im öffentlichen Raum arbeiten Künstler*innen und Anwohner*innen dort gemeinsam an der Entwicklung des Stadtteils.

Mit dem Ausstellungsraum station urbaner kulturen und der Grünfläche Place Internationale hat diese Praxis zwei sehr unterschiedliche Räume für Reflexion, Debatten und Zusammenarbeit mit der Stadtteilöffentlichkeit. Die Grünfläche Place Internationale ist eine weitläufige, von Anwohner*innen durchquerte Grünfläche zwischen U-Bahnhof Cottbusser Platz, Carola-Neher- und Maxie-Wander-Straße. Heute wird die Grünfläche zum Ort des Austausches für Anwohner*innen und neue Öffentlichkeiten – die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von Hellersdorf schieben sich hier ineinander.

 

Quellen

station urbaner kulturen / nGbK Hellersdorf

Place Internationale

Haus der Statistik

Das Haus der Statistik am Alexanderplatz in Berlin-Mitte, ehemals der Sitz der staatlichen Zentralverwaltung für Statistik der DDR, steht seit dem Jahr 2008 leer. Das Bauwerk befand sich bis 2017 im Eigentum der Bundesrepublik Deutschland, die es abreißen lassen und das Areal verkaufen wollte, doch im Rahmen des Hauptstadtfinanzierungsvertrags konnte der Berliner Senat den Baukomplex erwerben.

Die große Leerstelle ergibt die Möglichkeit, durch Kooperation von Stadtgesellschaft, Politik und Verwaltung einen Ort zu schaffen, der eine Verbindung zwischen bestehender Nachbarschaft und Berlins vielfältiger Stadtgesellschaft herstellt. Es entstehen dort heute Verwaltungsnutzungen, ein neues Rathaus für Mitte sowie integrierte Formen des Wohnens und Arbeitens sowie Raum für Kunst, Kultur und Soziales. Um dieses Ziel zu erreichen, wurde eine Akteur*innenkonstellation zwischen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, dem Bezirksamt Mitte, den landeseigenen Gesellschaften WBM und BIM sowie der ZKB geschlossen. In gemeinsamer Verantwortung soll die gemeinwohlorientierte Entwicklung des Haus der Statistik umgesetzt werden, neue Kooperationen und eine breite Mitwirkung der Stadtgesellschaft sichergestellt werden.

 

Quelle

Haus der Statistik

Wasserwerk / Berlin Mondiale

Das Wasserwerk in Berlin-Kreuzberg ist ein Standort und Knotenpunkt der Berlin Mondiale –Hier können Menschen zusammenkommen, Kunst und Kultur erleben und machen, sich auf Augenhöhe begegnen, können Community und Diversity feiern. Für 2021 hat eine 8-köpfige Jury sechs Partner*innen und Projekte ausgewählt, die das Wasserwerk bespielt haben. Unter dem Thema „Soziale Imaginationen – In welcher Stadt wollen wir leben?“ entstand unter anderem ein reisender Garten. Spiel, Zirkus und Bewegung, Raqs Sharki & Raqs Baladi, Rap und kulinarische Narrative luden außerdem dazu ein, die Nachbarschaft neu zu erfahren und sich anzueignen.

Berlin Mondiale ist ein berlinweites Netzwerk von Kulturpraktiker*innen und Künstler*innen der urbanen Praxis im Kontext Migration, Asyl und Exil mit einer radikal diversen, kollaborativen und lernenden Arbeitshaltung.

 

Quellen

Berlin Mondiale

Wasserwerk

Wie bist du zum Thema Vermittlung gekommen und was ist dein persönliches Anliegen darin? 

Ich komme ja weder vom Tanz noch von der Kunst, sondern von der Sozialarbeit. Generell würde ich sagen, dass der Inhalt dessen was man bei diesen Formaten tut eigentlich egal ist. Ob man zusammen tanzt, etwas zusammen baut oder kocht – es geht um Zugehörigkeit. Die Menschen die hier herkommen, sind extrem marginalisiert, sowohl über ihre Person als auch über die Umgebung in der sie leben, das zeigt sich sogar in der Architektur die sie umgibt. In ihren Communities haben sie starke Strukturen, aber außerhalb dessen sind sie nicht angedockt. Wir fragen uns deshalb, wie wir Korridor-Workshop-Formate schaffen können, die die Leute an die Regelsysteme in Berlin andocken können. Wenn sie die Erfahrung machen, dass das hier ihr Ort und ihre Veranstaltung ist, kann das etwas in Bewegung bringen. Wenn du das Gemeinsame erinnern kannst, dann bist du Teil der Stadt. Und zurzeit sind hier sehr viele nicht Teil der Stadt. Es würde unsere Stadt aber besser machen, wenn alle mitmachen können, die in dieser Stadt leben.

 

Wie hast Du die Zeit mit dem Mobilen Tanzsaal erlebt?

Ich denke, je einfacher und offener das Workshop-Angebot ist und mit je weniger Regeln belegt, desto mehr kommt das Eigeninteresse von den Menschen, dort mitzumachen, nach dem Motto: Ich kann dort hingehen, ich kann auch wieder weggehen wenn ich will. Ich muss keine Angst haben wieder rauszufliegen, sondern es geht um mein eigenes Interesse. Und dann identifiziere ich mich auch damit und dann ist es mein Ding, was ich tue. Ich glaube dass der Tanz sich für diese Prozesse gut eignet weil es zum Einen Mut braucht, sich vor Anderen zu bewegen, und weil Tanz als universelle nonverbale Sprache funktionieren kann. Was ich oft bei Tanzformaten beobachtet habe, ist eine Art stil- und altersübergreifendes Arbeiten – da wird dann im Tanzen z.B. spontan von Hip-Hop auf afghanische Schlager geschwenkt, und trotzdem passiert das irgendwie gemeinsam.

 

Wo soll es hingehen mit der Vermittlungsarbeit in Berlin, was ist Deiner Meinung nach wichtig für die Zukunft?

Es braucht vorallem Orte, wo so etwas stattfinden kann. Ich glaube, es scheitert ganz oft am Mangel an Orten im öffentlichen Raum. Ich bin mir auch nicht sicher, ob sich dann immer etwas verstetigen muss, es kann ja vielleicht auch immer wieder etwas Neues aufploppen. Kontinuität ist natürlich etwas Gutes, ich glaube nur, dass nicht alle Institutionen, Träger und Vereine gleich gut dafür geeignet sind. Wenn z.B. ein Kunst- und Kulturhaus auf eine prekäre, marginalisierte Situation aufmerksam macht, muss dieses Haus nicht automatisch verantwortlich dafür sein, in der Jugendhilfe langfristig die Struktur zu halten. Ich glaube es gibt Fraktionen, die besser in der Kampagne sind, und Andere sind halt besser in der Umsetzung. Und daher braucht es vor allen Dingen zuerst Orte, die dann aber vielschichtig und möglicherweise temporär auch bespielt werden können.

Wie bist du zum Thema Tanzvermittlung gekommen und was ist dein persönliches Anliegen darin? 

Ich bin in der Türkei geboren, bin dann als Kind mit meinen Eltern nach Berlin-Neukölln gezogen und quasi in Clubs und Jugendzentren aufgewachsen. Das war mein zweites Zuhause, dort habe ich tanzen gelernt, obwohl meine Eltern dagegen waren. Meine erste Tanzlehrerin saß oft mit uns zusammen und wir haben erstmal CD’s gehört, geredet, und das Tanzen war dann gar nicht mehr das Wichtigste, sondern eher dieses Zusammenkommen, das Familiäre daran. Das versuche ich, wenn ich heute selbst Tanz in Jugendzentren unterrichte, auch – eine Beziehung zu den Kids aufzubauen. Später habe ich eine Erzieherausbildung gemacht aber nebenbei immer weiter getanzt, unterrichtet, Tanz-Battles für Jugendliche organisiert, einen Verein gegründet und internationale Austauschformate, z.B. zwischen Tänzer*innen aus Berlin und aus Kuba entwickelt. Ich bin auch viel mit zeitgenössischem Tanz in Berührung gekommen, und würde mich nicht als Hip-Hop-Tänzerin, eher als Allrounderin bezeichnen.

 

Welche Erkenntnisse und Erfahrungen hast Du aus der Praxis-Erfahrung mit dem mobilen Tanzsaal mitgenommen?

Ich frage mich immer zuerst, wie ich diese Kinder und Jugendliche catchen kann, und dazu muss ich sie verstehen. Woher kommen sie? Was wollen sie? Was brauchen sie gerade? Vielleicht müssen sie sich jetzt eher austoben. Dann ist mir der Tanz auch egal, und ich renne mit ihnen erstmal ein paar Runden um das Haus. Wenn man mit Jugendlichen aus sogenannten Brennpunkt-Bezirken arbeitet, ist die Beziehung das Wichtigste, das erinnere ich aus meiner eigenen Vergangenheit. Die Arbeit mit den Workshops hat auch immer dann gut funktioniert, wenn eine Ansprechperson vor Ort war, die die Kinder richtig gut kennen.

Ich habe auch gemerkt, dass die Workshops am besten laufen, wenn sie draußen stattfinden, und wenn sie offen sind, wenn jede*r kommen und gehen kann. Und wenn es gut läuft, und die Kinder motiviert sind, dann ist es wichtig dass es weitergeht. Ich denke es ist besser, weniger Orte zu haben und dafür etwas Nachhaltiges aufzubauen, statt an vielen Orten nur kurzzeitig etwas anzubieten.

 

Wo soll es hingehen mit der Tanzvermittlung in Berlin, was ist Deiner Meinung nach wichtig für die Zukunft?

Ich habe das Gefühl, dass in der Tanzszene alle mit ihren eigenen Projekten beschäftigt sind, und dass diese grundsätzliche Vernetzung fehlt. Außerdem fehlt mir Tanz im öffentlichen Raum, mein Wunsch ist dass das mehr zum Alltag gehört. Ich frage mich auch manchmal, was der Zweck von Tanzvermittlung sein soll, und wem das eigentlich etwas nützt. Vielleicht sind es nur 3, 4 Kinder von 100, bei denen das was verändert. Aber wenn ich mir selbst ehrlich die Frage beantworten soll, kann ich nur sagen, mein ganzes Leben hat ja heute mit Tanz zu tun – meine Freund*innen, mein Job, mein Kind, die ganzen Reisen die ich gemacht habe. Auch dass wir jetzt hier miteinander sprechen hat damit zu tun. Und das alles weil ich damals im Jugendclub mit Tanz in Berührung kam, von alleine wäre das nicht passiert, meine Eltern hätten mich nie in eine Tanzschule geschickt. Und dann habe ich das weiterverfolgt, und das hat bei mir innerlich was freigesetzt, hat mein Leben geformt.

Wie bist du zum Thema Tanzvermittlung gekommen und was ist dein persönliches Anliegen darin? 

Ich habe Tanz in Dresden studiert und bin 2004 nach Berlin gekommen. Dort bin ich in Kontakt mit Hip-Hop, Urban Dance und Vogueing gekommen. Für mich ist die Hip-Hop-Szene ein Ort des Austauschs, der sehr zugänglich ist. Jede*r kann dort sein, unabhängig von Alter, Hintergrund, Aussehen oder Abschluss. Man lernt voneinander durchs Machen, kann den Moment mit der Musik, der Energie, den Leuten genießen. Das ist für mich ein wichtiger Ausgleich zum zeitgenössischem Tanz geworden, der ja oft eher konzeptlastig ist, was natürlich auch spannend sein kann. Die Hip-Hop-Szene ist nicht so hierarchisch geprägt oder von Institutionen abhängig. Wir trainieren in Jugendzentren oder draußen, treffen uns spontan im Park oder im Club. Viele sehr gute Hip-Hop-Tänzer*innen haben aber keine Tanzausbildung – für die ist es schwer, Anträge zu stellen oder ohne Abschluss bei einer Audition vorzutanzen. Ich bin vielleicht eine Art Pendlerin zwischen den Szenen, ich lerne von Beidem und versuche zu vermitteln.

 

Wie hast Du die Zeit mit dem Mobilen Tanzsaal erlebt?

Die Arbeit mit den Geflüchteten war lehrreich für mich. Man kann ja nicht hingehen und sagen, wir ziehen hier durch was wir wollen, sondern muss sich fragen, was brauchen die? Woran sind sie interessiert, wen kennen sie schon, wem vertrauen sie? Ich musste immer sehr spontan reagieren und schauen, wie sind die Leute, die Betreuer*innen vor Ort. Natürlich ist das nicht zu vergleichen mit einer Klasse in einer Tanzschule, und das erwarte ich auch nicht. Und natürlich waren wir in ihrem Terrain – wir waren zu Besuch und verhielten uns dementsprechend. Manchmal haben wir sie auch gefragt, ob sie uns etwas aus ihrer Kultur zeigen können, und dann haben wir plötzlich African getanzt oder syrische Tänze gelernt. Und dann sieht man, wie der Tanz eben wirklich Brücken schlagen kann. Wenn die Kids happy waren und mich gefragt haben wann ich wiederkomme, hat mich das schon berührt. Ich glaube, wenn das Projekt länger gedauert hätte, hätte es sich im Sinne von Nachhaltigkeit vielleicht mehr gelohnt.

 

Wo soll es hingehen mit der Tanzvermittlung in Berlin, was ist Deiner Meinung nach wichtig für die Zukunft?

In Berlin gibt es die bekannten Festivals für zeitgenössischen Tanz, aber es gibt wenig, das direkt Menschen anspricht, die nicht aus der Kunstszene kommen. Da kommen dann die klassischen Fragen: Ist das jetzt Tanz oder kein Tanz? Der Berliner Style ist eher konzeptuell, was ja auch okay ist. Aber dann muss man sich vielleicht auch nicht wundern, wenn Künstler*innen Stücke für Künstler*innen machen und alles in einer Blase bleibt. Mein Gefühl ist aber, dass in der Berliner Tanzszene momentan viel im Umbruch ist. Es gibt ein verstärktes Interesse an Vermittlung, am Dialog und auch an Transparenz. Ich wünsche mir für Berlin ein Tanzvermittlungszentrum, das als Sammel- und Anlaufstelle für Alle funktioniert. Ein physischer Ort, der für alle zugänglich ist und zu dem Menschen, die was mit Tanz zu tun haben oder mehr über Tanz wissen wollen, hingehen können – ein Ort des Dialogs, der Vernetzung und der Inspiration.

Wie bist du zur Tanzvermittlung gekommen und was ist dein persönliches Anliegen darin? 

Als ursprünglich klassisch und zeitgenössisch ausgebildeter Tänzer arbeite ich seit über 20 Jahren in der Kunst- und Kulturvermittlung, u.a. in Jugend- und Kulturzentren, und in der interkulturellen Vernetzungsarbeit und Community Art. Länder wie Frankreich, die Benelux-Staaten oder England waren in diesem Bereich in der Vergangenheit weiter als Deutschland, auch was das Thema Wertschätzung angeht. In Deutschland wurde künstlerische Vermittlungsarbeit oft abschätzend beurteilt. Das hat sich inzwischen generell verbessert, auch wenn es weiterhin noch viel zu tun gibt. Meine persönliche Erfahrung ist, dass mehrheitlich erfahrene Künstler*innen in diesem Bereich arbeiten, und auch coole, ganz eigene Sachen dabei entstehen. Mein Anliegen ist, eine vielseitige Betrachtung von Tanz und Kunst zu vermitteln, und damit auch das okzidentale Verständnis von Kultur dahinter zu hinterfragen. Das Einsetzen von interkulturellem Cross Over und Mixed Style in der Tanzvermittlung ist immer hilfreich, um diese Brücken schlagen zu können.

 

Welche Erkenntnisse und Erfahrungen hast Du aus der Praxis-Erfahrung mit dem mobilen Tanzsaal mitgenommen?

Wir haben uns gefragt, was bedeutet urbane Praxis in Außenbezirken hinsichtlich einer kritischen Betrachtung des Begriffs Zentralität? Dabei war uns ein nonhierarchischer Community-Ansatz wichtig, also ein intensiver Austausch mit den Standorten vor Ort, um herauszufinden was die Menschen dort brauchen. Außerdem wollten wir den Workshopleiter*innen ein gutes Arbeitsklima bieten und sie bei Problemen nicht alleine lassen. Es ging uns auch um künstlerische Qualität, z.B. um frische Impulse und unterschiedliche Stile aus dem Bereich Urban Dance – das Arbeiten mit verschiedenen Playern mit interkulturellem Background war dabei Voraussetzung. Es gab auch Hürden: Zum Einen der projektbedingte Zeitdruck, und zum Anderen die pandemiebedingten Maßnahmen und die Planungsunsicherheit. Wir haben dementsprechend unkomplizierte Angebote wie künstlerische Interventionen im öffentlichen Raum (z.B. Pop-up-Workshops, Happenings) angeboten um zu schauen, könnte das funktionieren? Das war ein guter Ansatz, auch um zu sehen was zukünftig Sinn machen könnte für eine Verstetigung.

 

Was denkst Du, ist jetzt und in Zukunft wichtig für die Tanzvermittlung? Wo soll es hingehen?

Was es braucht sind Möglichkeiten spontaner Interaktionen im urbanen Raum, die sich nach akuten Bedürfnissen richten. Das kollidiert aber mit der gegebenen Förderrealität – allein mit den Genehmigungen die eingeholt werden müssen, kommen solche Projekte schnell an ihre Grenzen. Ein Wunsch wären also Förderprogramme, die im Hinblick auf Urbane Praxis unkomplizierter zu realisieren sind. Generell wünsche ich mir für Berlin, erst mal aufzufächern, was könnte Tanzvermittlung alles sein? Es gibt ja zum Glück nicht mehr diese harten Abgrenzungen wie früher, das hat sich scheinbar ein wenig aufgelöst. Jetzt geht es eher darum zu überlegen, was alles möglich ist, und wie Vermittlungsarbeit omnipräsent gedacht werden kann. Die Hochkultur will ja niemand in Frage stellen. Aber Vermittlung im Sinne von Gemeinschaft und Teilhabe – dafür braucht es aktive Künstler*innen die mit Menschen in Kontakt kommen und künstlerische Projekte umsetzen. Und das funktioniert nur mit Wertschätzung und mit Kontinuität.

Entstehungsprozess und methodologische Grundlage

Das Interview und die Methoden der Auswertung wurden von der Tanzwissenschaftlerin und Kuratorin Elisa Ricci entwickelt. Der Leitfaden wurde in einem intensiven dialogischen Prozess im erweiterten Team mit Fokus auf Zugänglichkeit, Diskriminierungskritik, so wie machtkritischen Perspektiven entwickelt. Thematische Schwerpunkte des Leitfadens sind 1) Potentiale und Schwächen der Tanzvermittlung; 2) Formen bestehender struktureller Diskriminierung 3) Visionen für ein “Tanzvermittlungszentrum” in Berlin. Während des Labs am 26.2.2021 (siehe oben) wurden diese Inhalte mit den Interviewpartner*innen weiterhin vertiefend diskutiert.

Interviewpartner*innen

Das Interview richtet sich spezifisch an Expert*innen der (Tanz)Vermittlung.

Die Interviewpartner*innen sind: An Boekman, Angela Alves, Athina Lange, Be van Vark, Bahar Meric, Chang Nai Wen, Christoph Winkler, Diana Thielen, Esmir Srdanovic, Eva-Maria Hörster, Georgina Philipp, Jo Parkes, Joy. C. Alpuerto Ritter, Laura Werres, Lea Martini, Livia Patrizi, Maren Witte, Marie Yan, Martina Kessel, Medhat Aldaabal, Nora Amin, Rajyashree Ramesh, Robert Segner, Ron Rosenberg, Sophia Neises, Sven Seeger, Teo Vlad.

 

Die Expert*innen haben in verschiedenen Funktionen teilgenommen, u.a. als freischaffende Künstler*innen, Choreograf*innen und Pädagog*innen, Kurator*innen, Tanzwissenschaftler*innen, Schauspieler*innen und als Vertreter*innen von Institutionen (Marameo, Hochschulübergreifendes Zentrum Tanz, Mobile Dance, Raumlaborberlin, Zeitgenössischer Tanz Berlin e.V., Chance Tanz, Theater Fratz, Maxim Gorki Theater, LAFT Berlin, TanzZeit)

 

Die Auswahl der Interviewpartner*innen wurde innerhalb eines Prozesses im erweiterten Team getroffen. Ziel des Prozesses war ein Gleichgewicht zwischen Institutionen des sogenannten „zeitgenössischen Tanzes“, Initiativen und Akteur*innen der Urbanen Tanzkulturen, Organisationen mit Schwerpunkt auf Tanz und Soziale Arbeit, sowie Vertreter*innen von Tanzrichtungen, die in den Institutionen des „zeitgenössischen Tanzes“ nicht vertreten sind (Raqs Sharki, Baladi Dance, verschiedene Arten des Indischen Tanzes u.a.) herzustellen.

Methodik der Auswertung

Die Auswertung basiert auf einem transversalen, kollektiven Prozess des Lesens im Team (Steuerungsgruppe und Elisa Ricci) sowie auf einer Codierung nach qualitativer Auswertung adaptiert für die Tanzwissenschaft (Elisa Ricci).

Die in der Auswertung dargestellten Ideen und Vorschläge sind insofern geteiltes Wissen, da sie einem partizipativen Prozess entstammen, an dem die Steuerungsgruppe, das erweiterte Team und die Interviewpartner*innen teilgenommen haben.

Auswertung nach Themenschwerpunkten

1) STATUS QUO: Schwächen und Potentiale

Tanzvermittlung wird als leitende Kraft einer strukturellen Veränderung im Sinne der Diskriminierungskritik wahrgenommen, die insgesamt im Bereich des Tanzes und in der Kunstwelt sich ankündigt und teilweise schon stattfindet.

Exzellente Angebote der Tanzvermittlung sind in Berlin präsent. Es bestehen jedoch Lücken, die gefördert und aufgehoben werden müssen: unter anderem, Angebote für Menschen mit Behinderung, für Erwachsene und ältere Personen. Auf professioneller Ebene muss der Austausch zwischen Tanzvermittler*innen mit und ohne Behinderung ausgebaut und gefördert werden, so wie die Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten für Tanzvermittler*innen mit und ohne Behinderung.

Auf der Ebene der finanziellen Ausstattung, wird insgesamt eine mangelnde Kontinuität festgestellt, sowohl für Bereiche die schon exzellente Modelle zeigen, als auch für die auszubauenden Bereiche. Es ist unverzichtbar für die Weiterentwicklung der Tanzvermittlung, die ja auch ein Potential für gesellschaftliche Veränderung innehat, langfristig ausgerichtete Förderungen zu gewährleisten und somit die Möglichkeit über Jahre hinaus Projekte zu begleiten: nicht nur wie viele Teilnehmer*innen, sondern auch und vor allem wie lange sie durch Projekte mitgenommen werden können spielt eine zentrale Rolle, wenn es darum geht Zugang zu Bildung und Kultur zu gewährleisten.

Auch für freiberufliche Akteur*innen spielen prekäre Arbeitsbedingungen aufgrund von Arbeiten auf Projektbasis eine Rolle. Es wird desgleichen eine ungerechte Verteilung von Ressourcen angesprochen, insbesondere zwischen großen und kleinen Institutionen.

Fragmentierung wird teilweise als Stärke im Sinne von Heterogenität, teilweise jedoch als schwächende Kraft wahrgenommen. Fragmentierung scheint als schwächend wahrgenommen zu werden, wo sie in hierarchische Aufteilungen zwischen Bereichen verfällt: Beispielsweise die als hierarchisch wahrgenommene Kluft zwischen den Institutionen des „zeitgenössischen Tanzes“ und den im Tanzbereich tätigen Initiativen der Sozialen Arbeit; das Gleiche gilt für die als hierarchisch wahrgenommene Unterscheidung zwischen künstlerischem Schaffen und tanz- und theaterpädagogischen Projekten, so wie zwischen akademischen Tanzinstitutionen und autodidaktisch ausgebildeten Tänzer*innen und Tanzvermittler*innen.

Mit Fragmentierung und mangelnder Koordinierung geht eine niedrige Sichtbarkeit der Tanzvermittlung einher, beispielsweise im Vergleich mit Vermittlungsangeboten im Bereich der bildenden Kunst und des Sprechtheaters. Zu der mangelnden Sichtbarkeit trägt auch die Unregelmäßigkeit von kostenlosen, barrierefreien Angeboten im öffentlichen Raum bei, die gefördert werden sollten. Der Ausbau von kostenfreien Angeboten im öffentlichen Raum besitzt das Potential gerechter Zugänge für alle Interessierten.

Strukturelle Diskriminierung zeigt sich auch im Bereich der Tanzvermittlung. Tanzformen die als nicht-künstlerisch etikettiert sind, bleiben außen vor: u.a. Kreistänze, Urbaner Tanz, als traditionell bezeichnete Tänze (im Gegensatz zum „zeitgenössischen Tanz“). Eine Erweiterung des Tanz- und Kunst-Begriffes wird als dringend notwendig wahrgenommen.

Die Repräsentation von strukturell diskriminierten Perspektiven fehlt auf Leitungsebene. So werden zum Beispiel Leitungspositionen auch in inklusiven Formaten von nicht behinderten Personen besetzt. Dies betrifft eindeutig auch weitere Formen der Marginalisierung aufgrund von rassistischer und sexistischer Diskriminierung. Die Klassenfrage unterwandert und erweitert die genannten Formen der Diskriminierung, sowohl auf der Ebene der Zugänge zu professionalisierenden Angeboten als auch auf der Ebene der Rezeption.

 

2) VISIONEN: Veränderung / Strategien

Das Aufheben der bestehenden Fragmentierung zeigt sich insgesamt sehr deutlich als Veränderungswunsch.

Partnerschaften werden wiederholt als geeignete Strategie zur Aufhebung des fragmentarischen Status Quo dargestellt: Partnerschaften über nationale Grenzen hinaus; mit Einrichtungen jenseits des Tanzes (z.B. Imkerverein, Urban Gardening); Partnerschaften zwischen Einrichtungen im sozialen, kulturellen Bereich und im Bereich der Bildung; Partnerschaften mit Einrichtungen für ältere Personen, Mutter – Kind Zentren; Physiotherapeutische Praxen; Einrichtungen für Geflüchtete, Trauma-Therapeutische Einrichtungen.

Die Möglichkeiten an Partnerschaften langfristig zu arbeiten ist als Privileg zu betrachten: das können kleine Initiativen nicht langfristig leisten. Partnerschaften sollten auch auf der Grundlage von Bedürfnissen aller Beteiligten immer wieder neu verhandelt werden.

Konkrete Gesamt-Visionen für ein mögliches zukünftiges „Tanzvermittlungszentrum“ weisen einen Wunsch nach dezentralen Handlungsformen auf und werden beispielsweise wie folgt formuliert: „das Zentrum als Ort_e des Zusammenkommens“; „(De)Center as not attached to one House (…) located in an area that is not well served by dance opportunities“ ; “De-Centralized Platform”; „Network not closed to specific teams”; „örtlich flexibler Bus, kombiniert mit einem stationären Büro und mehreren Orten wie, Proberaum, Studiobühne. Das mögliche zukünftige „Tanzvermittlungszentrum“ wird auch als konkreter Ort angesprochen, der eine Multiplizität oder Vielzahl von Perspektiven beinhaltet. Um die Multiplizität langfristig zu garantieren, könnten zum Beispiel Leitungsfunktionen und kuratorische Positionen regelmäßig wechseln; Multiplikator*innen der unterschiedlichsten Tanzszenen können ein repräsentatives, divers aufgestellten Programm für ein Publikum entwickeln.

Ein geteilter Wunsch nach Gerechtigkeit und Defragmentierung erscheint stark auf konzeptueller Ebene, mit der wiederholt betonten Notwendigkeit bestehende, eurozentrisch geprägte Definitionen und Kategorisierungen von Tanzformen zu entschärfen. Es geht darum den Begriff Tanz zu öffnen und zu dekolonisieren – Etiketten aufzuheben die historisch geprägt sind und hierarchisierend und diskriminierend wirken.

Eine intersektional gedachte Gerechtigkeit im Sinne von Inklusion und Diversity wird angestrebt. Konkrete Beispiele sind: Taube und hörende Künstler*innen begegnen sich auf Augenhöhe und es wird nicht als etwas besonderes empfunden, dass auch Taube tanzen können; Ein weiteres spezifisches Beispiel betrifft die Notwendigkeit den Begriff Tanz zu öffnen, so dass Tänze, die in Verbindung mit einer bestimmten Kultur gelesen werden (z.B. mit der arabischen Kultur), selbstverständlich als Tanz und als Kunst gelesen werden. Um dies zu erreichen sind komplexe Schritte und Prozesse konstant und langfristig zu fördern, jedoch sei hier an erster Stelle die Notwendigkeit einer kritischen Auseinandersetzung der tanzvermittelnden Akteur*innen, in der eigenen Praxis in Bezug auf Reproduktionen von Stereotypen, eurozentrische Sichtweisen und Inhalte genannt. Diesbezüglich besteht der Wunsch kurz und langfristig ausgerichtete Aus- und Fortbildungen für Beteiligte im Bereich der Tanzvermittlung zum Abbau von Diskriminierungen, Stigmata und Barrieren. Weitere Strategien zur Überwindung von strukturellen Diskriminierungen und daraus entstehenden Formen der Marginalisierung zielen darauf ab, bestehende Angebote, Praktiken, Tanzformen, Ausdrucksformen etc. einerseits da wo sie stattfinden zu fördern, andererseits auch in den möglichen zukünftigen Räumen des „Tanzvermittlungszentrums“. In beiden Fällen scheint es von zentraler Bedeutung, dass involvierte Tanzvermittler*innen aus diesen Bereichen Entscheidungsmacht tragen, wenn sie mitwirken. Die Repräsentation von strukturell diskriminierten Akteur*innen auf Leitungsebene ist diesbezüglich entscheidend.

Ausblick

Die Teilnehmer*innen haben eine reichhaltige Fülle an Ansätzen, Kompetenzen und Ideen beigetragen, die hier nicht vollständig dargestellt werden können. Eine vertiefende Auseinandersetzung mit diesem Material ist notwendig und wünschenswert, mit dem Ziel Visionen zu konkretisieren und herauszuarbeiten. Weiterführende Thementische mit Expert*innen aus der Gruppe der Interviewpartner*innen können durchgeführt werden, mit dem Ziel spezifische Maßnahmen oder Teilaspekte zu planen. Die Inhalte der Interviews, die hier auf Makroebene zusammengetragen werden, stellen die inhaltliche Grundlage für weitere Phasen und Themen des Konzeptionsprozesses dar. Von den Interviewpartner*innen vorangebrachte Vorschläge, so wie Visionen bezüglich einer produktiven Verbindung zwischen Forschung und Tanzvermittlung, wie auch spezifische Strategien zur Aufhebung von struktureller Diskriminierung, die hier nicht im Einzelnen angesprochen werden konnten, werden weiterhin in den Prozess mitgedacht.