Interview mit Vera Fritsche

Leitung Soziale Arbeit und Programmkoordination Pilot-Stadtwerk Marzahn

Wie bist du zum Thema Vermittlung gekommen und was ist dein persönliches Anliegen darin? 

Ich komme ja weder vom Tanz noch von der Kunst, sondern von der Sozialarbeit. Generell würde ich sagen, dass der Inhalt dessen was man bei diesen Formaten tut eigentlich egal ist. Ob man zusammen tanzt, etwas zusammen baut oder kocht – es geht um Zugehörigkeit. Die Menschen die hier herkommen, sind extrem marginalisiert, sowohl über ihre Person als auch über die Umgebung in der sie leben, das zeigt sich sogar in der Architektur die sie umgibt. In ihren Communities haben sie starke Strukturen, aber außerhalb dessen sind sie nicht angedockt. Wir fragen uns deshalb, wie wir Korridor-Workshop-Formate schaffen können, die die Leute an die Regelsysteme in Berlin andocken können. Wenn sie die Erfahrung machen, dass das hier ihr Ort und ihre Veranstaltung ist, kann das etwas in Bewegung bringen. Wenn du das Gemeinsame erinnern kannst, dann bist du Teil der Stadt. Und zurzeit sind hier sehr viele nicht Teil der Stadt. Es würde unsere Stadt aber besser machen, wenn alle mitmachen können, die in dieser Stadt leben.

 

Wie hast Du die Zeit mit dem Mobilen Tanzsaal erlebt?

Ich denke, je einfacher und offener das Workshop-Angebot ist und mit je weniger Regeln belegt, desto mehr kommt das Eigeninteresse von den Menschen, dort mitzumachen, nach dem Motto: Ich kann dort hingehen, ich kann auch wieder weggehen wenn ich will. Ich muss keine Angst haben wieder rauszufliegen, sondern es geht um mein eigenes Interesse. Und dann identifiziere ich mich auch damit und dann ist es mein Ding, was ich tue. Ich glaube dass der Tanz sich für diese Prozesse gut eignet weil es zum Einen Mut braucht, sich vor Anderen zu bewegen, und weil Tanz als universelle nonverbale Sprache funktionieren kann. Was ich oft bei Tanzformaten beobachtet habe, ist eine Art stil- und altersübergreifendes Arbeiten – da wird dann im Tanzen z.B. spontan von Hip-Hop auf afghanische Schlager geschwenkt, und trotzdem passiert das irgendwie gemeinsam.

 

Wo soll es hingehen mit der Vermittlungsarbeit in Berlin, was ist Deiner Meinung nach wichtig für die Zukunft?

Es braucht vorallem Orte, wo so etwas stattfinden kann. Ich glaube, es scheitert ganz oft am Mangel an Orten im öffentlichen Raum. Ich bin mir auch nicht sicher, ob sich dann immer etwas verstetigen muss, es kann ja vielleicht auch immer wieder etwas Neues aufploppen. Kontinuität ist natürlich etwas Gutes, ich glaube nur, dass nicht alle Institutionen, Träger und Vereine gleich gut dafür geeignet sind. Wenn z.B. ein Kunst- und Kulturhaus auf eine prekäre, marginalisierte Situation aufmerksam macht, muss dieses Haus nicht automatisch verantwortlich dafür sein, in der Jugendhilfe langfristig die Struktur zu halten. Ich glaube es gibt Fraktionen, die besser in der Kampagne sind, und Andere sind halt besser in der Umsetzung. Und daher braucht es vor allen Dingen zuerst Orte, die dann aber vielschichtig und möglicherweise temporär auch bespielt werden können.