Dismantling Barriers for a Better Work Culture In dance making & Tanzvermittlung

18.11.2023, Heizhaus, Uferstudios, Berlin Wedding

Ein Workshop von Access Point Tanz und der AG Work Culture, ZTB e.V.

 

Dokumentation von Beatrix Joyce

 

Nach und nach trafen die Teilnehmer*innen des Workshops Dismantling Barriers for a Better Work Culture im Heizhaus in den Uferstudios ein. Angekündigt war der Workshop als Gelegenheit, um über die Barrieren zu diskutieren, mit denen wir im Tanzbereich konfrontiert sind, und darüber, wie wir sie abbauen und unsere Arbeitskultur verbessern können. Als ich durch den Hof ging, fragte mich eine junge, weiblich gelesene Person mit großen braunen Augen, wo der Workshop stattfinden würde. Ich wies ihr den Weg, sie nickte und folgte mir erwartungsvoll. Wir betraten das Heizhaus Studio und wurden sofort von Rike, Olympia, Enrico (von der AG Arbeitskultur des ZTB e.V.) und Elena (von Access Point Tanz) begrüßt. Sie hatten das Studio gemütlich eingerichtet; Sitzsäcke und Kissen lagen auf dem Boden, auf einer Kleiderstange in der Ecke war Platz für Mäntel, Mützen und Schals, durch die hohen Fenster des Studios drang sanftes Licht in den Raum. Die Heizung war an. Der Raum wimmelte von Neuankömmlingen, die sich gegenseitig begrüßten, Kaffee tranken und es sich in der Sitzsacklandschaft gemütlich machten.

 

Obwohl sich die meisten von uns noch nie zuvor getroffen hatten, bildete sich bald das Gefühl einer vorübergehenden Gemeinschaft. In einer Vorstellungsrunde hatten die rund zwanzig Teilnehmer*innen die Möglichkeit, etwas über sich, den persönlichen Hintergrund und die Erfahrungen mit Barrieren im Bereich Tanz und Tanzvermittlung zu erzählen. Der Großteil der Gruppe bestand aus Choreograf*innen, Tänzer*innen und Performer*innen, aber auch Dramaturg*innen und Tanzwissenschaftler*innen waren anwesend. Einige wenige Teilnehmende kamen aus lose verwandten Bereichen wie die Hochschulbildung, Verwaltung und Kulturproduktion. In dieser Gruppe mit unterschiedlichem Hintergrund und Fachwissen kristallisierte sich schnell eine Reihe von Anliegen heraus, darunter das aktuelle gesellschaftliche Klima und die Bedeutung des Tanzes innerhalb dieses Klimas. Die Aufmerksamkeit wurde auf die Ressourcen gelenkt, die nötig sind, um den Tanz zugänglich zu machen, auf die düstere Zukunftsperspektive der Berliner Förderlandschaft für den Tanz und auf die Langsamkeit des Wandels innerhalb der Institutionen. Die Stimmung war düster und spiegelte die aktuellen gesellschaftspolitischen Sorgen in Berlin und, nun ja, in der Welt im Allgemeinen wider. Wir hatten das Gefühl, dass sich in der Gruppe ein unausgesprochener Konsens auftut – dass wir schweren Zeiten entgegengehen, und dass wir das alle spüren.

 

Im Austausch über diese schwierigen Realitäten kam jedoch auch Positives zum Vorschein. Die Teilnehmer*innen berichteten von der Freude und den Vorteilen, die sich aus der Suche nach Begegnungen und Verbindungen mit lokalen Communities ergeben, und von Projekten, die an der Schnittstelle zwischen Kunst und Gesellschaft angesiedelt sind und Hoffnung für die Zukunft aufkeimen lassen. Es gab viel Unterstützung und Empathie für die Erfahrungen der jeweils anderen und die Teilnehmer*innen hörten sich gegenseitig aufmerksam zu. Einige Fragen kreisten im Raum und lenkten unsere Aufmerksamkeit auf das, worum es hier ging: Welche gesellschaftliche Relevanz hat der Tanz und wie kollidiert er mit der aktuellen gesellschaftlichen Realität? Wie kommt es, dass die Tanzvermittlung nicht so hoch geschätzt wird wie die „hohen“ Kunstformen bzw. „Hochkultur“? Wie können strukturelle Probleme, die einige mehr betreffen als andere, transparent gemacht werden? Welche Formen von Access werden benötigt und an wen könnte sich der Tanz noch wenden?

Was ist Access?

Für Kathy-Ann Tan, die Gründerin des Mental Health Art Space (MHAS) in Berlin-Charlottenburg, kann der Begriff Access ebenso wie die Begriffe Diversität und Inklusivität für verschiedene Menschen unterschiedliche Bedeutungen haben, da die Definitionen fließend sind. In einem Vortrag voller Verweise auf unterschiedliche Vermittlungsprogramme, z. B. in Kanada, und einiger persönlicher Beispiele führte Kathy-Ann uns vor Augen, wie die Grundsätze der Barrierefreiheit aus einer dekolonialen und intersektionalen Perspektive verstanden werden können. Kathy-Ann sprach über die Bedeutung von Vertrauen, Respekt und der Anerkennung unterschiedlicher Erfahrungen, von verkörpertem Lernen und „Normalität“ als Kontinuum.  Kathy-Ann sprach auch darüber, wie man aus einem Ort der Freude heraus handeln und mehr Wärme in institutionelle (wie auch basisdemokratische) Strukturen bringen kann.

 

Als wichtigen Punkt in Bezug auf Access nennt Kathy-Ann, dass man es vermeiden sollte, Druck auf diejenigen auszuüben, die besondere Access-Anforderungen haben. Vielmehr sollte es die Institution sein, die sich für einen besseren Zugang einsetzt. Es gibt viele einfache Dinge, über die Kurator*innen nachdenken können, um ihre Projekte oder Räume besser zugänglich zu machen. Dies geht natürlich Hand in Hand mit einer Selbstreflexion der eigenen Macht-Position und der eigenen Verantwortlichkeiten. Ein zentraler Gedanke innerhalb dekolonialer Praktiken ist: Wie können wir uns anderer Wissensformen bewusst werden und sie gleichermaßen wertschätzen, ohne sie auszubeuten? Wie können wir unsere eigene Position und unsere Privilegien anerkennen? Wenn es uns gelingt, unser eigenes Denken zu verändern, können wir auch das Denken der Institutionen verändern. Kathy-Ann sieht ein Potenzial darin, die so genannten „weichen Architekturen“ von Institutionen zu verändern: Wir können das System verändern, indem wir uns gegen ungerechte Strukturen aussprechen und Institutionen für die Art und Weise, wie sie das Publikum einladen (oder nicht einladen), zur Verantwortung ziehen.

Was ist sonst noch Access?

Angela Alves, Crip-Künstlerin und Performerin, zeigte uns eine Form von Access, die außerhalb der Sprache liegt. In einem lockeren, praktischen Workshop führte sie uns in eine Art meditativen inneren Raum. Zunächst wurden wir gebeten, uns umzusehen und den Raum zu beobachten, in dem wir uns befanden. Dann stellten wir uns vor, an verschiedenen Stellen des Raumes zu sein, dort Handlungen auszuführen oder einfach nur dort zu sein. Im Anschluss richteten wir uns in bequemen Positionen ein, legten uns auf die Sitzsäcke oder Matratzen. Bei gedämpftem Licht führte Angela uns durch eine Meditation, in der wir über Begriffe wie Ruhe, Grenzen und Krankheitssymptome nachdachten. Sie half uns, uns auf unsere eigenen Bedürfnisse einzustimmen, indem wir nach innen blicken und spüren, wie es sich anfühlen könnte, sie zum Ausdruck zu bringen. Sie brachte uns in einen Zustand der Verkörperung, der sich recht bald in Ermächtigung verwandelte: „Ich bin hier und ich ruhe, um mir mein Bedürfnis nach Ruhe zu eigen zu machen“. Einfach, aber radikal. Und rebellisch. Ich spürte, wie die Kraft in meinem Körper wuchs, und mit ihr die Freude.

 

In einer Welt, die so sehr auf die Sprache fokussiert ist, vor allem in institutionellen oder bürokratischen Strukturen, die den professionellen Arbeitsbereich in der Kunst bestimmen, gerät die Bedeutung unserer Sinne leicht in Vergessenheit. Unsere Erfahrung der Welt ist glücklicherweise nicht auf die Sprache beschränkt – und doch kann die Sprache, die wir sprechen, die Art, wie sie gesprochen wird, die Worte, benutzt werden, Barrieren schaffen. Für die einen sind sie unsichtbar, für die anderen unüberwindbar. Angelas Workshop half uns, einen Schritt zurückzutreten und die Sprache als eine Art einfache Präsenz zu betrachten, wie eine Komplizin die uns bei der Erledigung einer Aufgabe unterstützt. Nehmen wir das Beispiel des Segelns: Wir erhalten vielleicht Anweisungen, wohin es gehen soll, aber wir lenken die Segel. Oder ist es der Wind, der sie lenkt? Indem wir die Grenzen zwischen Innen und Außen, zwischen unserem Körper und unserer Umgebung verwischen, betreten wir einen Raum, der die Kommunikation vereinfacht und zugleich komplexer macht und uns Formen des Miteinanders, der Präsenz und des Access eröffnet, die nicht von der Sprache abhängen oder von ihr beherrscht werden.

Wo beginnt also Access?

Olympia Bukkakis und Rike Flämig gingen der Frage nach, wo Formen von Access eigentlich ihren Anfang nehmen, und widmeten sich hierfür dem Thema Klasse. In der Art und Weise, wie sie über Arbeit nachdachten – über die Geschichte der Arbeit, darüber, was Arbeit ist, welche politischen Systeme (kommunistisch, kapitalistisch) die Arbeit auf welche Weise organisieren – betrachteten sie Fragen von Access und Zugänglichkeit durch eine gesellschaftspolitische Linse. Und da wir alle demokratische Mitglieder der Systeme sind, die uns und unser (Arbeits-)Leben bestimmen, eröffneten sie sofort den Austausch in der Gruppe: Was ist eure Erfahrung mit Klasse? Was bedeutet es, Teil einer bestimmten Klasse oder Arbeitskultur zu sein, und wie haben eure Erziehung, euer Umfeld, und die materiellen Rahmenbedingungen eure Erfahrungen und/oder Lebensentscheidungen geprägt? In kleineren Gruppen haben wir über diese Fragen nachgedacht und uns über unser Verständnis und die finanziellen Begrenzungen ausgetauscht, die unser Arbeitsleben prägen, sowie darüber, wie unsere Herkunftsländer und unser soziales Umfeld unsere Entscheidungen beeinflusst haben. Ich habe mich gefragt: Ist dies ein kultureller Austausch oder der erste Schritt zu einer Revolution? Unmöglich zu sagen. Aber als die Zeit um war, waren unsere Diskussionen noch lange nicht beendet. Möge der Diskurs weitergehen.

Access herausarbeiten

Am Ende des Tages hatten wir das Gefühl, dass wir nur an der Oberfläche dessen gekratzt hatten, was Access bedeuten kann und sollte und wie Barrieren für eine bessere Arbeitskultur abgebaut werden können. In den Workshops und Impulsvorträgen wurde deutlich, dass es einen grundlegenden Ansatz gibt, der mit Access einhergeht: Care. Indem wir uns um den Raum, um einander und um Inklusivität kümmern, können wir die ersten Schritte in Richtung barrierefreier Programme und Projekte im Tanzbereich machen. Dies war eindeutig Teil der Workshop-DNA; vom wunderbaren Mittagessen, das Enrico L’Abbate für die gesamte Gruppe kochte, über das Anerkennen der genutzten Pronomen der Teilnehmer*innen bis hin zu praktischen und logistischen Access Needs wie Rampen, Toiletten und dem zeitlichen Anlauf, ganz zu schweigen von den Stressspielzeugen, die Rike uns zum Herumfummeln aushändigte – jedes Workshop-Element war durchdacht und es wurde sich gut darum gekümmert. Ausgangspunkte des Workshops waren Herzlichkeit und Gastfreundschaft, zwei springende Punkte um nachhaltige, langfristige Praktiken von Zugänglichkeit aufrechterhalten zu können. Die vielleicht überzeugendste, am wenigsten greifbare Definition von Access kam aus einer Art „zwischen den Zeilen des Workshops lesen“: Lächeln, kurze Gespräche zwischen den Teilnehmenden, Momente der Entspannung und des Wohlbefindens in einem offenen und sicheren Raum. Diese Dinge sind die Art von Bedingungen, die Access in die Praxis, in die Verkörperung bringen. Es ist nicht nur eine Art zu denken, es ist eine Art etwas zu tun, eine Art zu sein. Utopisch, vielleicht, aber mit der noch frischen Erinnerung an den Geschmack von Enricos sizilianischen Kastanienmehlkeksen fühlt es sich gar nicht so weit weg an.

Einfache Sprache

Dieser Text beschreibt den Workshop Dismantling Barriers for a Better Work Culture. Er fand am 18.11.2023 im Heizhaus, in den Uferstudios in Berlin im Bezirk Wedding statt.

 

Den Text hat Beatrix Joyce geschrieben. Sie hat an dem Workshop teilgenommen.

 

Sie beschreibt eine gemütliche Atmosphäre im Heizhaus. Es gab Sitzsäcke und Kissen zum Sitzen und die Gastgeber*innen (Rike, Olympia, Enrico und Elena) sagten herzlich Hallo.

 

Es waren etwa 20 Teilnehmer*innen. Sie stellten sich vor und erzählten von ihren Berufen und warum sie daran interessiert sind, dass im Tanzbereich alle mitmachen können.

 

Die Teilnehmer*innen erzählten von ihren Sorgen über die Arbeit im Tanzbereich, weil es in der Tanzszene im Moment sehr schwierig ist. Sie hörten sich gegenseitig konzentriert zu. Es fühlte sich unterstützend an.

 

Zum Thema Access im Tanz gibt es viele Fragen: Wer kann mitmachen und wer nicht? Was sind die Hindernisse, wegen denen nicht alle mitmachen können? Wie können wir diese Hindernisse kleiner machen? Was wird dafür gebraucht?

 

Kathy-Ann Tan ist die Gründerin des Mental Health Art Space (MHAS) in Berlin Charlottenburg. Kathy-Ann hielt einen Vortrag, sie hat dafür eine PowerPoint-Präsentation gemacht. Sie sprach über das Thema Access und darüber, dass Vertrauen und Respekt wichtig sind. Und sie sprach darüber, dass alle Erfahrungen gleich viel wert sind. Kathy-Ann sagte, dass Institutionen und Organisationen die Hindernisse verkleinern sollten damit alle mitmachen können. Sonst müssen das immer die Einzelnen machen.

 

Angela Alves ist eine Crip-Künstlerin und Performerin. Sie hat mit den Teilnehmer*innen eine Meditation gemacht. In der Meditation haben sie über Ruhe, Grenzen und Krankheiten nachgedacht. Angela Alves versucht, den Körper und die Sinne zu verbinden. Durch die Meditation fühlten die Teilnehmer*innen sich stärker. Mit dieser Stärke bekamen sie das Gefühl, dass man es schaffen kann, die Hindernisse kleiner zu machen.

 

Olympia Bukkakis und Rike Flämig sprachen mit den Teilnehmer*innen über das Thema Klasse. Sie sprachen auch darüber, wie man als Kind aufwächst. Wie man aufwächst hat etwas damit zu tun wie man später als erwachsener Mensch Sachen entscheidet. Die Diskussion war sehr spannend.

 

Nach dem Workshop und den spannenden Gesprächen denkt Beatrix Joyce darüber nach, wie sorgfältig der Workshop gemacht wurde. Sie glaubt, dass Sorgfalt wichtig ist, damit im Tanzbereich mehr Leute mitmachen können. Sie findet, dass der Workshop mit Wärme und viel Sorgfalt gemacht wurde.

Links

 

Kathy-Ann Tan

 

Angela Alves

 

AG Work Culture

 

Beatrix Joyce (UK/NL) ist eine in Berlin lebende Choreografin und Autorin. Sie absolvierte eine Ausbildung in zeitgenössischem Tanz am TrinityLaban in London (2014) und schloss 2016 mit einem MA in Soziologie an der Goldsmiths University, London ab. Sie arbeitet in den Bereichen Tanz, Text und Ton und kreiert ortsspezifische, intermediale und immersive Performances.