Interview mit Sven Seeger

Projektleitung Mobiler Tanzsaal

Wie bist du zur Tanzvermittlung gekommen und was ist dein persönliches Anliegen darin? 

Als ursprünglich klassisch und zeitgenössisch ausgebildeter Tänzer arbeite ich seit über 20 Jahren in der Kunst- und Kulturvermittlung, u.a. in Jugend- und Kulturzentren, und in der interkulturellen Vernetzungsarbeit und Community Art. Länder wie Frankreich, die Benelux-Staaten oder England waren in diesem Bereich in der Vergangenheit weiter als Deutschland, auch was das Thema Wertschätzung angeht. In Deutschland wurde künstlerische Vermittlungsarbeit oft abschätzend beurteilt. Das hat sich inzwischen generell verbessert, auch wenn es weiterhin noch viel zu tun gibt. Meine persönliche Erfahrung ist, dass mehrheitlich erfahrene Künstler*innen in diesem Bereich arbeiten, und auch coole, ganz eigene Sachen dabei entstehen. Mein Anliegen ist, eine vielseitige Betrachtung von Tanz und Kunst zu vermitteln, und damit auch das okzidentale Verständnis von Kultur dahinter zu hinterfragen. Das Einsetzen von interkulturellem Cross Over und Mixed Style in der Tanzvermittlung ist immer hilfreich, um diese Brücken schlagen zu können.

 

Welche Erkenntnisse und Erfahrungen hast Du aus der Praxis-Erfahrung mit dem mobilen Tanzsaal mitgenommen?

Wir haben uns gefragt, was bedeutet urbane Praxis in Außenbezirken hinsichtlich einer kritischen Betrachtung des Begriffs Zentralität? Dabei war uns ein nonhierarchischer Community-Ansatz wichtig, also ein intensiver Austausch mit den Standorten vor Ort, um herauszufinden was die Menschen dort brauchen. Außerdem wollten wir den Workshopleiter*innen ein gutes Arbeitsklima bieten und sie bei Problemen nicht alleine lassen. Es ging uns auch um künstlerische Qualität, z.B. um frische Impulse und unterschiedliche Stile aus dem Bereich Urban Dance – das Arbeiten mit verschiedenen Playern mit interkulturellem Background war dabei Voraussetzung. Es gab auch Hürden: Zum Einen der projektbedingte Zeitdruck, und zum Anderen die pandemiebedingten Maßnahmen und die Planungsunsicherheit. Wir haben dementsprechend unkomplizierte Angebote wie künstlerische Interventionen im öffentlichen Raum (z.B. Pop-up-Workshops, Happenings) angeboten um zu schauen, könnte das funktionieren? Das war ein guter Ansatz, auch um zu sehen was zukünftig Sinn machen könnte für eine Verstetigung.

 

Was denkst Du, ist jetzt und in Zukunft wichtig für die Tanzvermittlung? Wo soll es hingehen?

Was es braucht sind Möglichkeiten spontaner Interaktionen im urbanen Raum, die sich nach akuten Bedürfnissen richten. Das kollidiert aber mit der gegebenen Förderrealität – allein mit den Genehmigungen die eingeholt werden müssen, kommen solche Projekte schnell an ihre Grenzen. Ein Wunsch wären also Förderprogramme, die im Hinblick auf Urbane Praxis unkomplizierter zu realisieren sind. Generell wünsche ich mir für Berlin, erst mal aufzufächern, was könnte Tanzvermittlung alles sein? Es gibt ja zum Glück nicht mehr diese harten Abgrenzungen wie früher, das hat sich scheinbar ein wenig aufgelöst. Jetzt geht es eher darum zu überlegen, was alles möglich ist, und wie Vermittlungsarbeit omnipräsent gedacht werden kann. Die Hochkultur will ja niemand in Frage stellen. Aber Vermittlung im Sinne von Gemeinschaft und Teilhabe – dafür braucht es aktive Künstler*innen die mit Menschen in Kontakt kommen und künstlerische Projekte umsetzen. Und das funktioniert nur mit Wertschätzung und mit Kontinuität.