Auf dem Weg zu einem „Tanzvermittlungszentrum“

Der Begriff Tanzvermittlung steht für eine Vielzahl von Zugängen zu Tanz. Er spricht prinzipiell alle Menschen an, ihre Erfahrungen mit und durch Tanz zu vertiefen, sie mit dem eigenen Alltag zu verbinden und für gesellschaftliche Veränderung zu nutzen. Es ist eine den Tanz und sein Publikum verbindende, in Frage stellende, dekonstruierende und im besten Fall transformierende partizipative Praxis, in der sich künstlerisches und pädagogisches Arbeiten auf Augenhöhe begegnen.

Dabei kann Tanzvermittlung zahlreiche Gesichter haben. Sie kann dazu anregen, über Tanz zu sprechen und Themen tanzend zu vertiefen. Sie kann als vor- oder nachbereitendes (Publikums-)gespräch zu einer Vorstellung verstanden werden, aber auch eine gemeinsame Forschungsarbeit mittels Tanz zu einem bestimmten Thema beinhalten. Partizipative Tanzprojekte mit Laien sind ebenso gemeint, wie jede andere Form des Lernens mit und durch Bewegung.

 

Die Idee eines „Tanzvermittlungszentrums“ stammt aus der AG Vermittlung in Rahmen des Runden Tisch Tanz.

Der Runde Tisch Tanz war „ein beispielgebendes partizipatives Verfahren mit einer Beteiligung von über 200 Akteur*innen der Tanzszene. In fünf thematischen AGs, während eines zweitägigen Symposiums und an vier Runden Tischen mit Politik und Verwaltung wurden strukturelle Defizite benannt und konkrete Handlungsempfehlungen erarbeitet. Das Ergebnis ist ein mit viel Expertise entworfener Entwicklungsplan Tanz 2019-2025, der kurz-, mittel- und langfristige Ziele miteinander verzahnt, um die Kunstform Tanz innerhalb der Berliner Kulturlandschaft sukzessive aufzubauen“.1

In Trägerschaft des Zeitgenössischen Tanz Berlin e.V. wurde im November 2020 per Ausschreibung eine Steuerungsgruppe gesucht, die die Aufgabe hat, die Akteur*innen und Expert*innen des Feldes zu vernetzen und im intensiven Austausch eine tragfähige Konzeption für ein Berliner „Tanzvermittlungszentrum“ voranzubringen.

 

Aus einzelnen Bewerbungen wurde ein zunächst dreiköpfiges Konzeptionsteam zusammengesetzt: Elena Basteri (Tanzkuratorin und Dramaturgin), Janne Gregor (Choreografin und Tanzvermittlerin) und Gabriele Reuter (Choreografin, Tanzvermittlerin und Urbanistin), mit dem Auftrag ein weiteres Teammitglied mit dem Schwerpunkt Diversität/Inklusion zu finden. Eine zweite öffentliche Ausschreibung für das vierte Teammitglied wurde ab Anfang Dezember 2020 veröffentlicht. Im Zuge dessen wurden aktive diversitäts-kritische Kulturinstitutionen innerhalb der Darstellenden Künste und Multiplikator*innen im Bereich Inklusions- und Intersektionaler Diskriminierungsforschung kontaktiert und ein erstes Netzwerk aufgebaut. Der beeindruckende Rücklauf von 35 Bewerbungen innerhalb eines kurzen Zeitraums von 10 Tagen und einer Reihe intensiver Bewerbungsgespräche setzte für die Steuerungsgruppe ein klares Signal für einen diversitäts-kritischen Blick auf den Tanz und die Frage, welche Rolle ein Zentrum für Tanzvermittlung dabei einnehmen sollte. Die Choreografin, Autorin und Aktivistin Nora Amin arbeitet seit vielen Jahren innerhalb des Diskurses um intersektionale Diskriminierung im Tanz und ergänzt die Steuerungsgruppe seit Januar 2021 als viertes Teammitglied. Aus dem Pool der Bewerber*innen wurde zusätzlich ein die Steuerungsgruppe erweiterndes Team von Multiplikator*innen beauftragt (die Choreograf*innen und Tanzvermittler*innen Teo S. Vlad, Joy Ritter, Sven Seeger und Angela Alves und die Tanzwissenschaftlerin und Kuratorin Elisa Ricci), das den Prozess der diversitäts-kritischen Öffnung der Konzeptionsphase begleitet und dabei unterschiedliche Perspektiven (Trans*Queer Community, Urban Dance Community, Interkulturelle Arbeit, Inklusion/Barrierefreiheit) einnimmt und vertritt. Angela Alves wurde darüber hinaus von der Steuerungsgruppe mit der Koordination und Strukturierung von Maßnahmen zur Barrierefreiheit von interner und externer Kommunikation beauftragt.

 

In dieser erweiterten Teamkonstellation hat die Steuerungsgruppe im Laufe des Jahres 2021 mehrere Aktivitäten unternommen, die zur Konzeption des zukünftigen „Tanzvermittlungszentrums“ führten. Diese variierten in Form und Inhalt und deckten verschiedene Teile der Berliner Tanzlandschaft ab: von Laboren zur Generierung von Ideen und Themen über eine umfassende Interview-Reihe mit Akteur*innen des Tanzvermittlungsbereichs (konzipiert von Elisa Ricci) bis hin zur Durchführung einer Umfrage (konzipiert von Soziologin Melisa Bel Adasme) sowie mehreren Arbeitstreffen und Gesprächen mit Tanzinstitutionen und professionell Tanzschaffenden. Die von der Steuerungsgruppe durchgeführten Aktivitäten zielten auf eine schrittweise Konzeptualisierung ab, um die Ergebnisse des vorangegangenen Runden Tisches zu reflektieren, zu verbinden, weiterzuentwickeln und darauf aufzubauen.

Die Sektion „Konzeptionsphase“ dieser Website veröffentlicht das während der Konzeptionsphase erstellte Material und die Dokumentation der durchgeführten Aktivitäten.

All die Gespräche, Recherchen, Workshops und Labore der Konzeptionsphase münden in ein Konzeptpapier, das die weiteren Schritte in einer sogenannte „Pilotphase“ definiert.

In dieser sollen die Visionen, die in der Konzeptionsphase entstanden sind, direkt in die Praxis umgesetzt werden.

 

 

Fußnoten

  1. Hintergrund zum Runden Tisch Tanz (Stand April 2022)